Kurzgeschichten

Bücherei

Es war mucksmäuschenstill. Nur das alte Holz der dunklen Eichendielen knackste. Das Geräusch ähnelte einem Wimmern. Es schien, als ob der Fußboden seine Glieder vor Schmerzen streckt und reckt. Die Tore der alten Stadtbibliothek waren geschlossen. Endlich kehrte Ruhe in die alten Gemäuer ein. Die Rauhnächte hatten begonnen und mit ihnen wurde eine ganz besondere Zeit eingeläutet. Im Dorf wurde sich erzählt, dass in jenen Nächten zwischen Weihnachten und Neujahr magische Dinge geschehen würden. Die kleine Jule hatte sich all diese Geschichten angehört und beschlossen die erste Nacht der Rauhnächte in der alten Stadtbibliothek zu verbringen. Sie dachte, wenn es einen Ort gibt, an dem magische Dinge passieren könnten, dann nur in der Bibliothek. Jule wollte es selbst herausfinden, ob die Geschichten, die die Erwachsenen erzählten auch wirklich stimmten. Deshalb versteckte sie sich hinter einem der haushohen Regalen und wartete, bis die Bibliothekarin gegangen war. Das Mondlicht schien durch die Fenster hinein und tauchte den Raum in ein kaltes Licht. Jule schluckte und blickte sich um. Außer dem Knacksen der alten Holzdielen war nichts zu hören. Ungeduldig zog sie ihre Knie bis zum Kinn und wippte hin und her. Die Nahgelegende Turmuhr schlug neun Mal. Der Klang schallte durch die Regale und lies den Boden ein wenig vibrieren. Jule seufzte und ärgerte sich über die Erwachsenen. Warum war sie so blöd gewesen und hatte all die Geschichten geglaubt. Enttäuscht stand sie auf und schlich durch die Bücherregale in Richtung Tür. Zum Glück hatte sie sich vor ein paar Tagen bereits den Ersatzschlüssel aus der unteren Schublade des Schreibtisches von Frau Zimmermann der Bibliothekarin stibitzt. Jule blickte auf ihre Armbanduhr. Es war genau 21:12 Uhr, als sie plötzlich ein Geräusch zwischen den Regalen hörte. Erschrocken wich sie zurück und versteckte sich hinter einem dicken roten Samtvorhang. Das Geräusch wurde immer lauter und klang nach einem fröhlichen Gemurmel. Vorsichtig lugte Jule hinter dem Vorhang hervor und sah, wie goldener Staub aus den Büchern rieselte. Sie rieb sich ihre Augen. Aus dem goldenen Staub wurden Gestalten, Wesen und Tiere. Sie kamen alle aus den Büchern. Über Jules Kopf flog ein goldschimmernder Drache und zwischen den Regalen saßen magische Wesen. Jule entdeckte Pinocchio, den Zauberer Petrosilius Zwackelmann, den kleinen Hobbit und viele andere Wesen aus ihren Lieblingsbüchern. Einer nach dem Anderen huschte aus der Bibliothek hinaus in die Nacht. Jule beobachtete wie die Wesen, wie Sternschnuppen am Himmel tanzten. Zufrieden schmunzelte sie und wahr froh, dass die Geschichten, die sich erzählt werden doch wahr sind. 

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